Jardin Victoria 

 Jardines del Marquesado de la Quinta Roja

Diego Ponte del Castillo – Ein tragischer Verlust

Am 5. April 1880 starb Diego Ponte del Castillo, der 8. Marqués de la Quinta Roja, in der Nähe von Garachico. Er war erst 39 Jahre alt, und sein früher Tod erschütterte die Familie zutiefst. Noch am selben Tag wurde sein Leichnam nach La Orotava überführt, wo er in der Familiengruft auf dem Friedhof beigesetzt werden sollte. Doch der dortige Pastor verweigerte die Beisetzung, da Diego eines der führenden Mitglieder der örtlichen Freimaurerloge war, eine Organisation, die von der katholischen Kirche damals strikt abgelehnt wurde. So wurde der Leichnam nicht in der Familiengruft beigesetzt, sondern direkt daneben, ein schmerzlicher Ausdruck der religiösen Intoleranz jener Zeit.

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Sebastiana del Castillo – Trauer, Protest und Erinnerung

Die Mutter des Marqués, Sebastiana del Castillo y Manrique de Lara, war tief betroffen, doch sie reagierte auf außergewöhnliche Weise. Zum Gedenken an ihren Sohn und gleichzeitig als Protest gegen das Verhalten der Kirche ließ sie ein Mausoleum errichten. Dieses sollte nicht nur das Grab ihres Sohnes beherbergen, sondern auch ihres verstorbenen Mannes und schließlich ihr eigenes. Die Gedenkstätte wurde im Garten eines ihrer Stadthäuser in La Orotava errichtet, was es ihr ermöglichte, die Erinnerung an ihre Familie aus der Kontrolle der Kirche zu lösen. So entstand ein Ort, der private Trauer, Familienehre und gesellschaftliches Statement miteinander verband.

Adolphe Coquet – Ein Meisterarchitekt für ein besonderes Projekt

Sebastiana beauftragte den renommierten französischen Architekten Adolphe Coquet (1841–1907) mit dem Bau des Mausoleums. Coquet war nicht nur ein angesehener Vertreter des Historismus, sondern auch persönlich mit Diego Ponte del Castillo bekannt. Das Mausoleum wurde in Lyon aus weißem Marmor gefertigt, jeder Teil präzise gearbeitet, verpackt und per Schiff nach La Orotava transportiert. Im Frühjahr 1882 begann der Aufbau, den Coquet persönlich überwachte. Das Ergebnis war ein kunstvolles Bauwerk von außergewöhnlicher Qualität und Symbolkraft, das zugleich als politisches Denkmal gegen kirchliche Intoleranz verstanden werden konnte.

Der Garten – Bühne für Öffentlichkeit und Protest

Obwohl Coquet das Mausoleum selbst vollständig entwarf, gibt es keine Hinweise darauf, dass er auch an der Gestaltung des Gartens oder der Auswahl der Pflanzen beteiligt war. Der Garten entwickelte sich dennoch schnell zu einem öffentlichen Schauplatz. 1888 fand hier eine große Gartenbauausstellung statt, die zahlreiche prominente Persönlichkeiten der Kanarischen Inseln anzog. Besucher nahmen dabei bewusst die Gedenktafel am Mausoleum zur Kenntnis, die die Verweigerung der Beisetzung durch die Kirche kritisierte. Nach 1936 wurden jedoch zwei Zeilen, die sich direkt gegen die katholische Kirche richteten, herausgemeißelt, ein Hinweis auf die politische Einflussnahme auf Erinnerungskultur in dieser Zeit.

Vom privaten Gedenkort zum Kurpark

Nach dem Tod Sebastiana del Castillos im Jahr 1904 wurde das Familienhaus umgestaltet. Etwa 1907 eröffnete dort ein Hotel, das nach der britischen Enkeltochter, der spanischen Königin Victoria Eugenia, benannt wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name des Gartens, Jardín Victoria. Der Garten wandelte sich vom privaten Gedenkort zu einem öffentlich zugänglichen Kurpark. Besucher konnten nun die Schönheit der Anlage genießen, ohne die ursprüngliche familiäre und protestierende Symbolik zu verlieren.

Krieg und Zergliederung des Anwesens

Mit Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges 1938 wurde das Hotel geschlossen, und der Park diente vorübergehend als Gemüsegarten. Im Zuge einer Erbteilung wurde das Anwesen in einen östlichen und einen westlichen Teil geteilt. Der westliche, größere Teil des Hauses und des Parks wurde 1961 von der Sociedad Cultural Liceo Taoro, einer Vereinigung zur Pflege der Kultur und des Brauchtums, erworben. 1975 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz in das Gebäude, das östlich des Barranco Araucho direkt an den Park angrenzt. Damit blieb der Park weiterhin ein Ort kultureller Bedeutung, auch wenn seine Nutzung inzwischen stark verändert war.

Öffentliche Restaurierung und Denkmalschutz

1982 erwarb die Stadt La Orotava das Gebäude, um darin ein Altersheim einzurichten. 1990 wurde auch das restliche Parkgelände von der Stadt gekauft, und in den folgenden acht Jahren erfolgte eine umfassende Restaurierung, um den Park wieder seinem historischen Aussehen anzunähern. Im Mai 1999 konnte der Jardín Victoria der Öffentlichkeit übergeben werden. Vier Jahre später, im Jahr 2003, kündigte die Regierung an, den Park als historischen Garten unter Denkmalschutz zu stellen. Heute präsentiert sich der Jardín Victoria als eine kulturell, historisch und landschaftlich bedeutende Stätte, die Besucher nicht nur durch ihre Schönheit, sondern auch durch ihre vielschichtige Geschichte beeindruckt.

Ein Besuch im Jardín Victoria

Wer den Jardín Victoria besucht, taucht ein in die Geschichte einer prominenten Familie, die in der Auseinandersetzung mit kirchlicher Intoleranz einen bleibenden Ausdruck fand. Das Mausoleum im Herzen des Gartens zeugt von Liebe, Verlust und Mut, während die weitläufige Gartenanlage mit exotischen und mediterranen Pflanzen, kunstvoll angelegten Wegen und Terrassen einen Ort der Ruhe, Erholung und Inspiration schafft. Die Anlage verbindet die Eleganz des französischen Historismus mit der kanarischen Gartenkunst und erzählt zugleich von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der Kanarischen Inseln über mehr als ein Jahrhundert.

Tipps für Ihren Besuch

Dauer des Besuchs: Planen Sie etwa 30 bis 45 Minuten ein, um den Garten in Ruhe zu erkunden. Beste Besuchszeit: Frühling und Herbst bieten angenehme Temperaturen und eine Vielzahl blühender Pflanzen. Zugang: Der Garten ist barrierefrei zugänglich, jedoch können einige Bereiche aufgrund der terrassenförmigen Anlage uneben sein. Verpflegung: In der Nähe gibt es zahlreiche Cafés und Restaurants, in denen Sie eine Pause einlegen können.

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